Trinken und Trinkverhalten aus Sicht der TCM

Trinken und Trinkverhalten aus Sicht der TCM

Da ich momentan an der Isolde Richter Heilpraktikerschule eine Webinar zum Thema „Einführung in die Chinesische Diätetik“ gebe und immer wieder Fragen zum Thema „Trinken“ kommen, schreibe ich mal was dazu.

Die westliche Medizin hat, was die tägliche Aufnahme von Flüssigkeit betrifft, strickte Richtlinien. Pro Kilogramm Körpergewicht sollte der Mensch 35 Milliliter am Tag trinken. Bei vielen von uns ergibt dies eine Menge von 2,5 Liter täglich.

Die TCM vertritt bei diesem Thema jedoch einen etwas anderen Standpunkt, sie berücksichtigt die individuellen Unterschiede der Menschen und niemals kann eine bestimmte Diät oder wie hier das Trinkverhalten für alle gut sein.

Die Chinesischen Medizin sieht Trinken und Durst weit differenzierter und macht die zureichende Menge abhängig vom Klima und der Jahreszeit, dem Grad der körperlichen Anstrengung, dem Konstitutionstyp und dem gesundheitlichen Zustand, denn der menschliche Stoffwechsel ist ein enges Zusammenspiel von Qi, Yin und Yang.

Wenn wir z.B. müde sind, dann ruhen wir uns aus, schlafen  und tanken neue Energie. Wenn wir durstig sind, trinken wir und verhindern dadurch, dass unser Körper austrocknet, bzw. wir kühlen unsere innere Hitze. Diese Balance von Yin und Yang ist ausschlaggebend für Gesundheit, Aktivität und Ausgeglichenheit. Jede Flüssigkeit, die wir uns einverleiben, muss auch umgesetzt werden .

Dazu benötigen die daran beteiligten Organe Energie. Mit anderen Worten, bei einem zu viel an Flüssigkeitszufuhr können unsere Organe auch sehr strapaziert werden. Wenn wir also andauernd zu viel trinken, mit der Glasflasche durch die Gegend laufen, werden bestimmte Organe mit der Zeit leiden – so wie wenn wir zu viel essen.

Unser Körper ist normalerweise alleine in der Lage, bei Ungleichgewichten einen Ausgleich zu finden.

Eine der Standardfragen bei einer TCM-Anamnese, ist die Frage nach dem Durst und der Trinkmenge. Hat zum Beispiel jemand das Bedürfnis, grosse Mengen kalten Wassers zu trinken, ist dies für mich ein Hinweis darauf, dass der Patient ein „Fülle-Hitze-Muster“ hat. Das heißt er hat des öfteren ein rotes Gesicht oder rote Augen, Hitzegefühle vor allem bei Stress, Durst, Sodbrennen, trockener Stuhl und/oder Unruhe und vielleicht auch einen erhöhten Blutdruck mit Schwindel- oder Tinnitusproblematiken.

Trinkt jemand dagegen gerne kaltes oder kühles Wasser, in kleinen Schlucken und hat vielleicht nachts eine Wasserflasche neben dem Bett stehen, so spricht dies für ein „Leere-Hitze-Muster“ aufgrund eines Yin-Mangels. Hier könnte es sich um eine Patientin in den Wechseljahren handeln mit Symptomen wie Nachtschweiss, Hitzewallungen, Mundtrockenheit und dies vor allem gegen Abend. Beide Muster zeigen grundsätzlich ein Yin-Yang-Ungleichgewicht, das korrigiert, also behandelt werden sollte.

Die meisten Patienten antworten auf die Frage nach dem Durst, dass sie sich zwingen müssen etwas zu trinken, „weil viel Trinken doch gesund ist.“ Wenn die Betroffenen keinen Durst haben, dann liegt oft ein „Kälte-Muster“, ein sogenannter Yang-Mangel vor. Selbst wenn sie Durst verspüren, dann verlangen sie lieber nach warmen Getränken als nach kühlem Wasser. Kälte ist ein Yin-Faktor, genau so wie Wasser und Flüssigkeit oder Feuchtigkeit ein Yin-Faktor ist. Weist der Mensch ein Übermaß an Yin (also an Feuchtigkeit) auf, verlangt er nach „mehr Yang„, also Wärme, Bewegung – nicht nach mehr Wasser.

Jeder Mensch hat einen unterschiedlichen Anteil an Feuchtigkeit in sich. Wenn sich von Haus aus viel Flüssigkeit im Körper befindet, sollte man nicht übermäßig viel trinken, da es ansonsten zu einer Überbelastung der Milz und der Nieren kommen kann. Meist sind den Betroffenen auch kalte Getränke und kalte Speisen (Eis) unangenehm im Bauch. Sie leiden meist an Appetitlosigkeit, möglicherweise auch Heißhungerattacken, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Schmerzgefühl, depressive Verstimmungen, vermehrt Blähungen und ihr Stuhl ist oft ungeformt oder breiig.

Durst verspüren ohne Lust auf etwas zu trinken, ist ein Hinweis auf ein „Feuchte-Hitze“.(also Feuchtigkeit in Kombination mit Hitze). Die Hitze will gekühlt werden und bewirkt den Durst. Die zugleich vorhandene Feuchtigkeit signalisiert jedoch: Ist schon feucht genug, was eine Abneigung zum Trinken hervorruft.

Welche Getränke sind zu empfehlen?

Heißes Wasser ist das einzige Getränk, das dem Körper nur Flüssigkeit zuführt und fast keine andere Wirkung hat. Die Temperatur ist der Körpertemperatur von rund 37 °C angepasst, im Gegensatz zu anderen Heißgetränken hat es keine andere nennenswerte Wirkung. In der Praxis bewirkt das Trinken von reinem heißem Wasser eine Ausschwemmung überflüssiger Feuchtigkeitsansammlungen und damit verbunden anfänglich eine erhöhte Harnfrequenz und die Abnahme von einigen Kilos. Schon bald spüren Sie deutlich die wohltuende Wirkung.

Mineralwasser mit Kohlensäure ist von der Temperatur her kühl und kühlt demzufolge den Stoffwechsel ab! Kinder generell und Patienten die unter Kältesymptomen leiden sollten kein Mineralwasser trinken! Kinder auch deshalb nicht, weil die Milz (übersetzt ist das die Funktion von Magen, Bauchspeicheldrüse, Galle, Zwölffingerdarm und deren Enzyme) noch schwach ist.

Die Milz hat aus Sicht der TCM die Aufgabe, überschüssige Flüssigkeiten, welche wir durch die Nahrung zu uns nehmen zu trockenen! Bei Milz Qi und Yang-Mangel Symptomatiken habe ich sowieso schon ein Problem mit überschüssigen Flüssigkeiten (Naselaufen-, Schleimproblematiken, Sextanerblase, Durchfall,…)! Das heißt auch, das die Patienten haben unter Normalbedingungen schon keinen Durst haben! Durch antrainieren dieser erhöhten Trinkmenge läuft das Fass dann irgendwann über!

Die beispielsweise oft literweise getrunkenen Kräutertees (weil kalorienfrei oder viel Vitamin C!) haben eine spezifische pharmakologische Wirkung auf den Körper und sollten deshalb nur bei bestimmten Indikationen, in Maßen und mit dem nötigen Respekt vor der Teedroge genossen werden.

Ein anderes Getränk, das wegen seiner gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe (Stichwort Radikalfänger) im Westen hoch gelobt wird, ist der grüne Tee. Eine der Wirkungen dieses traditionellen asiatischen Getränks ist die Kühlung des Organismus. Leiden Sie an starkem Kältegefühl, kalten Extremitäten (Füßen) und nächtlichem Wasserlassen ist er in manchen Fällen kontraindiziert /absolut nicht empfehlenswert, da er diese Empfindungen verstärkt.

Wenn Ihr regelmäßig Suppen und viel gekochtes Gemüse zu Euch nehmt, profitiert Euer Flüssigkeits-Haushalt im übrigen auch auch davon.

Welches Getränk geeignet ist, zeigt sich erst in der ausführlichen Befunderhebung, da die meisten von uns nicht nach einem Schema einzuordnen sind.

Ansonsten ist die Normalmenge 1 – 1 1/2l pro Tag (incl. Tee, etc.)!